Neu gegründet aus Tradition: Wie die Tochter den Familien-Blumenladen neu erfindet
Aus Alt mach Neu - und dabei die Wurzeln bewahren: Corinna Marr aus Zella-Mehlis hat den Blumenladen ihres Vaters übernommen. Was sie anders macht und warum Tradition dabei eine wichtige Rolle spielt, erfahren Sie hier.
Eine Unternehmensübernahme ist mehr als ein Neuanfang. Wieso hast du dich hierfür entschieden?
Die Gärtnerei besteht seit 1903 und wurde immer unter demselben Namen geführt, inzwischen in der fünften Generation. Mein Vater hatte 2022 sein letztes Jahr als Inhaber und hat lange nach einem Nachfolger gesucht, sei es durch Pacht, Miete oder Kauf. Leider blieb die Suche erfolglos. Schließlich war es mein Mann, der mich überredete die Gärtnerei zu übernehmen. Es ist ein Familienunternehmen und es wäre sehr traurig, wenn das Unternehmen nach so vielen Jahren Familiengeschichte schließen müsste. Ich bin die erste Frau, die die Gärtnerei leitet, vorher waren es immer Männer. Das hat in mir einen besonderen Ehrgeiz geweckt.
War es schon immer dein Ziel, dich selbstständig zu machen?
Als ich klein war, hatte ich eigentlich den Traum, eines Tages selbstständig zu sein. Je älter ich wurde, desto mehr ist dieser Gedanke in den Hintergrund getreten. Es wurde mir wichtiger, Geld zu verdienen und Planungssicherheit zu haben. In meiner Jugend und während meiner Ausbildung habe ich viel in der Gärtnerei meines Vaters mitgearbeitet, aber ich habe damals nicht daran gedacht, dass das mein zukünftiger Weg sein wird.
Wie hast du dich auf die Tätigkeit in der Gärtnerei vorbereitet?
Ich hatte ein gutes Jahr Zeit, um zu lernen, wie man einen Strauß bindet und die Grundlagen der Floristik zu verstehen. Zusätzlich habe ich Kurse an der Fleurop-Akademie besucht, die mir sehr geholfen haben, mir das nötige Fachwissen anzueignen. Mittlerweile fühle ich mich sicher in der Kundenberatung, auch weil mein Vater und meine Mitarbeiter mir immer zur Seite stehen und mich bei komplexeren Fragen unterstützen.
Eine Familienübernahme enthält natürlich eine emotionale Komponente. Wie hast du es geschafft, das berufliche und familiäre bei der Übernahme zu trennen?
Die Trennung von Beruf und Privatleben ist mir bisher gut gelungen. Ein klarer Schritt war es, einen detaillierten Businessplan aufzustellen und die Zahlen sorgfältig zu überprüfen. Die Zusammenarbeit mit meinem Vater verlief dabei reibungslos.
Er hatte bereits 2021 den Wunsch geäußert, das Unternehmen abzugeben und ich wollte diese Entscheidung unabhängig treffen. Das hat sowohl ihm als auch mir eine große Last genommen.
Mein Vater ist jetzt entspannt und freut sich, weiterhin im Unternehmen tätig zu sein, während ich die Verantwortung übernehme. Er lässt mir dabei weitgehend freie Hand, schaut mir aber gelegentlich noch über die Schulter. Das ist besonders wertvoll für mich, denn bei speziellen Fragen ist seine Erfahrung unschätzbar – Google allein kann eben keine Gärtnerei führen.
Was hast du bisher im Unternehmen verändert oder neu eingeführt?
Um neue Kund:innen zu gewinnen, setze ich auf soziale Medien, vor allem Facebook und Instagram. Außerdem habe ich eine zusätzliche Floristin eingestellt, um den Ansturm zu bewältigen.
Unsere Zielgruppe ist hauptsächlich 35 Jahre und älter und über Social Media erreichen wir sie gut. Seitdem haben wir viel mehr Kunden.
Worauf ich besonders stolz bin, ist, dass ich meinen Ausbildereignungsschein gemacht habe, obwohl ich wegen des großen Andrangs im Geschäft keine formale Ausbildung machen konnte. Stattdessen habe ich mich zu Hause vorbereitet und so gut es ging gelernt. Mir liegen sogar schon Bewerbungen für das Ausbildungsjahr 2025 vor.
Ich versuche, meine Mitarbeiter so gut es geht zu unterstützen, selbst wenn es nur Kleinigkeiten sind. Ich habe ihnen die Inflationsausgleichsprämie gezahlt und Zusatzleistungen eingeführt, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Welche Fördermittel hast du genutzt?
Dieses Thema war ein echtes Abenteuer. Am entspanntesten war es, die Förderung beim Landkreis Schmalkalden Meiningen zu beantragen. Frau Steinmetz von der Wirtschaftsförderung hat mir super geholfen und ich habe den Zuschuss in voller Höhe bekommen.
Eine größere Herausforderung war die Beantragung des Existenzgründerpasses. Die Gärtnerei wurde als Produzent von gärtnerischen Erzeugnissen eingestuft. Das schloss die Beantragung aus. Allerdings betreiben wir nur Endverkauf, da wir die Pflanzen zukaufen und nicht selbst anbauen. Das machte die Sache kompliziert. Erst nachdem ich in Aussicht gestellt habe, keine IHK-Beiträge und keine Gewerbesteuer zu zahlen, wurde der Antrag durchgewunken.
Letztendlich konnte ich darüber eine Rechtsberatung durch einen Anwalt und die Unterstützung durch einen Technologieberater sowie einen Steuerberater finanzieren. Außerdem konnte ich mir einen Workshop bei der EGA leisten. Allein dafür hat sich der Aufwand gelohnt.
Den Gründungszuschuss vom Arbeitsamt habe ich leider nicht bekommen, da ich zum Übernahmezeitpunkt noch angestellt war.
Woran hätte die Übernahme scheitern können?
Die Übernahme hätte an mehreren Punkten scheitern können. Eine große Hürde war die Bürokratie - vor allem das Finanzamt Suhl, wo es Unklarheiten wegen der Steuernummer gab, und die Stadt Zella-Mehlis, die erst nach vielen Gesprächen die neue Zufahrt genehmigte. Auch die VR Bank machte uns einen Strich durch die Rechnung, indem sie den beantragten Kredit nicht bewilligte.
Es war schon ärgerlich, dass so viele Hürden auftauchten, und ich habe oft überlegt, aufzugeben. Aber mein Ehrgeiz hat mich gepackt und ich habe trotz aller Widrigkeiten durchgehalten und es geschafft.
Wichtig war auch, dass es eine Familienübernahme war. Das hat mich motiviert, weiterzumachen.
Welche externe Beratung hast du genutzt bzw. würdest du empfehlen?
Vor meiner Entscheidung habe ich viel im Internet recherchiert und bin auf ThEx Enterprise gestoßen.
Ich kann ThEx Enterprise nur wärmstens empfehlen. Sie haben mich bei der Erstellung des Businessplans, des Finanzplans und der Beantragung des Mikrokredits hervorragend unterstützt. Die Beratung war eine enorme Erleichterung, da meine Ansprechpartner immer für mich da waren und alle meine Fragen beantwortet haben. Ich hatte dort zu keiner Zeit das Gefühl, in einer Behörde zu sein.
Um mein Wissen zu erweitern habe ich zusätzlich an einer Reihe von Seminaren teilgenommen, die ThEx Enterprise veranstaltet.