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Beim Umgang mit Demenz wird oft viel zu kompliziert gedacht.

ThEx Management -

4. September 2024

Webbanner_The Dementia Web App

Sie war noch ein Kindergartenkind, als ihre Oma an Demenz erkrankte. Als diese später in einem Pflegeheim unterkam, hat sich der körperliche Verfall so beschleunigt, dass Vivien Zeihs beschlossen hatte, etwas dagegen zu tun. Sie entwickelte „The dementia Web App“ – eine App, die als unterstützende therapeutische Begleitung dient. Was die 17-Jährige aus Wutha-Farnroda antreibt und wie das Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum (ThEx) hierbei unterstützen konnte, erzählt sie uns im Interview.


Frau Zeihs, Sie sind 17 Jahre alt und befassen sich seit fünf Jahren mit der Entwicklung einer App, die die Therapie bei Demenzerkrankungen begleitet. Wie kam es dazu?

Das hatte ursprünglich einen familiären Hintergrund. Meine Oma war an Demenz erkrankt und wir haben sie lange Zeit zuhause gepflegt. Zu diesem Zeitpunkt ging es ihr relativ gut. Aber irgendwann war uns das zeitlich nicht mehr möglich. Uns fehlte auch das Wissen, sie wirklich pflegen zu können. Sie ist in ein Pflegeheim gezogen und hat innerhalb eines halben Jahres so stark abgebaut, dass ich sie kaum wiedererkannt habe. Vor mir stand sozusagen eine ganz andere Person. Daraufhin habe ich angefangen, eigene Ideen zu entwickeln.


Sie haben eine App entwickelt, die als unterstützende therapeutische Begleitung von an Demenz erkrankten Personen dient.

Genau. Nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen ist Demenz noch nicht heilbar. Aber man kann die Krankheit effektiv therapieren. Allerdings fehlt oft die Zeit dazu und auch die Kenntnisse darüber. Deshalb unterstützt „The dementia Web App“ die Menschen im Arbeitsalltag und im Therapieprozess.


Sie haben die App selbst programmiert?

Ja. Das habe ich mir autodidaktisch beigebracht. Erst als es um die Erstellung der Datenbank ging, habe ich einen Fachinformatiker hinzugezogen, vor allem für das Thema Datensicherheit. Aktuell befindet sich die App in der finalen Entwicklungsphase.

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Wenn Sie sagen, die App kann den Alltag unterstützen – was kann man sich darunter vorstellen?

Hier muss man unterscheiden in Arbeitsalltag und Angehörigenalltag. Der Arbeitsalltag von Betreuungskräften ist ziemlich voll, sodass sie meist sehr wenig Zeit für die einzelnen Patienten haben. So werden beispielsweise als Beschäftigung für die Demenzkranken Rätsel ausgedruckt, die dann gemeinsam gelöst werden. Das ist nicht wirklich zielführend. Bei den Angehörigen kommt das Problem hinzu, dass sie in der Regel gar kein Know-how haben, wie eine sinnvolle Betreuung des Erkrankten erfolgen kann. Das Problem dabei ist dann, dass man die Erkrankten ausschließlich „beschäftigt“. Und genau diesem Problem habe ich mich gestellt. Ich habe das Ziel, mit meiner App sinnvolle Beschäftigungen für an Demenz erkrankte Menschen anzubieten, die gleichzeitig einen therapeutischen Ansatz haben und somit im besten Fall den Krankheitsverlauf verlangsamen.


Wie sieht die Lösung aus? Hilft mir die App, einen Therapieplan aufzustellen oder umzusetzen?

Oft wird viel zu kompliziert gedacht. Meine Idee ist im Prinzip ein digitales Bilderbuch, das nach dem Jahreskreis strukturiert ist. Sehen sich Demenzpatientinnen und -patienten diese Bilder an, werden gezielt immer wieder dieselben Nervenstränge im Gehirn aktiviert. Und genau das soll erreicht werden. Das Ziel ist, immer wieder dasselbe Gehirnareal anzusprechen, sodass dieses immer wieder aktiviert wird. Durch die Bilder erinnern sich die Menschen an Dinge oder Ereignisse von früher, die sie erlebt oder gesehen haben. Dadurch kann das Gedächtnis effektiv angesprochen werden. Somit beschränkt sich die Beschäftigung der Patienten nicht nur auf das Lösen von Rätseln, sondern leistet viel mehr – man könnte es als Unterstützung zur Biografiearbeit bezeichnen.


Jetzt hat aber jeder Mensch seine eigenen Erlebnisse gesammelt. Wie gehen Sie damit um?

Das ist vollkommen richtig und ein essentieller Punkt, deshalb ist die App personalisierbar. Zum einen gibt es den allgemeinen Jahreskreis, ganz generell. Befinden wir uns beispielsweise im Monat April, dienen in der App Tulpen, typische Frühblüher, Vögel und verschiedene Dinge, die man draußen entdecken kann, als Orientierungshilfe. Zum anderen hat man als Angehöriger die Möglichkeit, selbst Fotos hinzuzufügen, die auf der Biografie der betroffenen Person basieren. So werden persönliche Erinnerungen Teil des Therapieprozesses.


Das klingt fast zu einfach.

Aber genau darin besteht die Effektivität: Die Patienten schauen sich immer wieder dieselben Bilder an. Wären es ständig verschiedene Bilder, wäre das nicht zielführend. Auf Außenstehende kann das durchaus langweilig wirken, für Betroffene ist es das nicht.


Weil es nicht mehr darum geht, Neues zu lernen, sondern Bekanntes zu festigen.

Ja, genau.


Gibt es schon ähnliche Apps auf dem Markt?

Nach eigener Recherche gibt es derzeit auf dem deutschen Markt 20 Apps für Betroffene und ihre Angehörigen. Etwas Vergleichbares wie „the dementia Web App“ mit ihrer Struktur habe ich bis dato nicht gefunden. Dabei ist genau diese Struktur das, was für Betroffene notwendig ist. Viele haben leider negative Erfahrungen mit solchen Apps gemacht. Oftmals wird berichtet, dass diese nicht hilfreich sind.


Haben Sie bereits ein Pflegeheim gefunden, das bereit ist, die App anzuwenden, zu testen und Tipps zur Weiterentwicklung zu geben?

Tatsächlich hatte ich diesbezüglich Glück: Ein Pflegeheim in Eisenach hat sich bereit erklärt, mich zu unterstützen. Ich habe die Möglichkeit erhalten, meine App mit einer Gruppe von fünf bis sechs Demenzerkrankten anzuwenden und zu testen. Das hat mir sehr geholfen und die Entwicklung der App maßgeblich voran gebracht. Mithilfe dieser kleinen „Studie“ und den Ergebnissen daraus bin ich nun schon zum zweiten Mal bei „Jugend forscht“ angetreten.

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Seit Sie 12 Jahre alt sind, beschäftigen Sie sich mit dem Thema und haben die „The dementia Web App“ entwickelt. Planen Sie die Gründung eines Unternehmens?

Bislang war es immer nur ein Projekt. Mir war aber die Zeit und Arbeit, die ich bereits dafür aufgebracht habe zu schade, um es nur bei einem Projekt zu belassen. Deswegen ist die Planung einer Gründung der folgerichtige Schritt.


Dabei sind Sie auf das ThEx aufmerksam geworden?

Über meine Teilnahme am Schülerwettbewerb „Jugend forscht“ kam ich in Kontakt mit ThEx innovativ, deren Träger die Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen (STIFT) ist. Ich erhielt ein Coaching, viele wertvolle Hinweise und Tipps, Unterstützung bei der Finanzplanung und auch bei der Investorensuche. Das ist sehr viel wert.


Wie war die Zusammenarbeit mit dem ThEx bisher?

Wirklich sehr angenehm. Ich kann meinen Mentor im ThEx anrufen, meine Fragen stellen und erhalte Unterstützung und viel Input für den Aufbau meines eigenen Unternehmens. Und für die Bewerbung meiner App ist die Zusammenarbeit mit dem ThEx ebenfalls super. Man kann an vielen Veranstaltungen teilnehmen, netzwerken und neue Kontakte knüpfen. Das ist sehr wichtig und bringt mich enorm voran. Kurz gesagt, das ThEx hilft mir sehr gut und die Zusammenarbeit ist klasse.


Letzte Frage: Sie haben uns anfangs berichtet, dass ein persönliches Erlebnis Grundlage für Ihre heutige Gründungsidee war. Ist Ihre Motivation noch die Gleiche?

Auf jeden Fall. Durch meine Oma bin ich erst auf die Idee gekommen. Ihr zu Ehren soll mein Unternehmen später auch nach ihr benannt werden: AnniTech. Ich hoffe sehr, dass ich mit der App viele Demenzpatienten, Angehörige und Mitarbeitende in Pflegeheimen unterstützen kann!


Vivien Zeihs wohnt in Wutha-Farnroda und hat in Eigenregie „The dementia Web App“ programmiert (www.thedementiawebapp.de). Sie besucht derzeit das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Ruhla.